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Über Zollverein
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Zukunftsstandort und Labor des Wandels

Gespräch mit Hans-Peter Noll und Heinrich Theodor Grütter

Neue Vorstände wollen den Zukunftsstandort Zollverein mit vereinten Kräften voranbringen

Bereits seit dem 1. Oktober 2017 gehören Hans-Peter Noll und Heinrich Theodor Grütter zum Vorstandsteam der Stiftung Zollverein. Nach dem Ausscheiden von Hermann Marth und Jolanta Nölle zum 1. Juni 2018 bilden die beiden den neuen Vorstand mit Noll als Vorsitzendem. Grütter ist zudem Direktor des Ruhr Museums. Bei einem gemeinsamen Gang über das Gelände des UNESCO-Welterbes Zollverein erzählen sie von ihren Plänen und Zielen.

Wir treffen uns am Doppelbock bei Schacht XII. über den Platz vor der Kohlenwäsche, das Forum, lauft gerade eine Schulklasse. Wir schauen in leuchtende Kinderaugen auf dem Weg zur 55 Meter langen Rolltreppe, die hinauf zum Eingang des Ruhr Museums fuhrt. „Hier ist jeden Tag etwas los“, freut sich Hans-Peter Noll, neuer Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein. „Das Ruhr Museum wird an manchen Tagen von bis zu zehn Schulklassen besucht. Das museumspädagogische Angebot wird sehr gut angenommen“, ergänzt Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums, der mit Noll zusammen seit Anfang Juni den Vorstand der Stiftung Zollverein, die für das UNESCO-Welterbe verantwortlich ist, bildet. Weitere Besucher kreuzen unseren Weg. Wie wir machen auch sie ein Foto vor dem Doppelbock, der nicht erst seit dem Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 als Symbol für das Ruhrgebiet steht.

Ein Elektro-Bus der Zollverein-Rundfahrten kommt an uns vorbei. Wir nutzen die sogenannte Hop-On-Möglichkeit, die die Busse neben geführten Touren den Besuchern bieten, die individuell den Standort besuchen und erkunden mochten. Die Wege auf dem fast 100 Hektar großen Gelände können weit sein. Unser Ziel ist der ehemalige Gasometer auf der Kokerei Zollverein. „Wir haben 2010 die Entwicklung von Schacht XII abgeschlossen. Mit dem Ausbauplan 2020, bei dem das Kokerei-Gelände und zahlreiche Neubauten im Mittelpunkt stehen, sind wir weit vorangeschritten“, erzählt Hans-Peter Noll während der Fahrt über die insgesamt 3,5 Kilometer lange Ringpromenade.

Der neue Vorstandschef der Stiftung Zollverein, der selbst als Flächenentwickler schon jahrelang am Standort tätig ist, will sich im planerischen Denken von eigenen Schubladen losen. Eine wichtige Rolle am Bildungsstandort Zollverein spielt dabei bereits der Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität der Künste. Die derzeit mehr als 500 Studierenden im sogenannten Quartier Nord sind Teil der insgesamt über 270.000 Studierenden im Ruhrgebiet. „Wir können die Zukunft im digitalen Zeitalter nicht gewinnen, wenn wir in traditionellen Mustern des Industriezeitalters denken. Wer eine gute Idee hat, der sucht sich dafür Platz und eine spannende Umgebung. Deshalb mochte ich mir erlauben, unsere künftigen Partner und Kunden höchstens in Themenfelder wie Digitalisierung und Gründer, Bildung und Wissenschaft zu gliedern. Zollverein ist die ideale Kulisse, der ideale Ort für bisher Ungedachtes, noch nicht Realisiertes. Wir müssen Raum bieten für Experimente“, formuliert Noll seine Ziele am Standort. Mittlerweile haben wir uns gemeinsam auf den Weg zur Mischanlage der Kokerei gemacht.

Wandel durch Kultur

Die rund 30 Meter hohe Mischanlage ist derzeit Ort der großen Sonderausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“. Gemeinsam mit dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum zeigt das Ruhr Museum hier auf der Kokerei Zollverein über 1.000 Exponate aus der rund 200-jährigen Bergbaugeschichte der Region, die zum Abschluss dieses Jahres endet. für Heinrich Theodor Grütter ist es die bisher umfassendste Sonderausstellung auf Zollverein. „Kultur ist weit mehr als Unterhaltung und Bespaßung. Kultur schafft die Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Gleichzeitig ist Kultur der Motor des Wandels und Zollverein muss in seiner Funktion als Zukunftsstandort das Labor des Wandels sein“, erklärt der Direktor des Ruhr Museums sein Verständnis von Kultur und die Rolle von Zollverein vor diesem Hintergrund.

Anstatt dem Weg der Kohle folgend von oben in die Ausstellung zu gehen, nehmen wir den umgekehrten Weg von unten direkt in die Zukunftsebene. Grütter führt uns zu einem bestimmten der insgesamt zwölf Trichter. Dort zeigt er uns in der Vitrine die Gründungsurkunde für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951. „Zukunft ist für mich eine Auseinandersetzung mit Herkunft. Wir zeigen hier in der Ausstellung die Gründungsurkunde der Montanunion. Die europäische Idee wurde auch im Ruhrgebiet mit diesen Dokumenten geboren. Sie stehen für Demokratie, Toleranz und Solidarität – Werte, für die wir heute leben und die unsere Identität ausmachen“, so Grütter nicht ohne Stolz. für ihn ist der 21. Dezember 2018, der Tag der letzten Schicht im deutschen Steinkohlenbergbau, nicht nur ein symbolischer Abschluss, sondern ein Ende des nunmehr 60 Jahre andauernden Prozesses des Strukturwandels.

„Für den langen Abschied von der Kohle sollten wir im Ruhrgebiet dankbar sein. Die Vorteile dieser langsamen Entwicklung überwiegen. Wir haben die Talsohle durchschritten: Die Bevölkerung steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt. Die negativen Folgen des Bergbaus sind vielerorts langst ausgeglichen. Heute sehen wir viel grüne Natur“, fallt sein persönliches Resümee aus. Ebenso wie sein Vorstandspartner Noll blickt Grütter optimistisch und voller Tatendrang in die Zukunft: „Wir wollen die Aufenthaltsqualität als touristischer Standort weiter steigern.“ Mit Blick auf das kulturelle Angebot hat das UNESCO-Welterbe heute schon viel zu bieten. Sehr gute Aussichten sieht er unter anderem bei der Fotografie. „Zollverein soll ein wichtiger Standort für Fotografie werden.“ Die Sammlung des Ruhr Museums gilt mit etwa vier Millionen Negativen, einigen zehntausend Abzügen und Dias als größtes und bedeutendstes Archiv historischer und Zeitgenössischer Fotografien der Region.

„In Essen sind mit dem Museum Folkwang, der Sammlung Krupp in der Villa Hügel und dem Ruhr Museum drei der wichtigsten Hauser in punkto Dokumentar-Fotografie in Deutschland ansässig. Zudem ist die Folkwang Universität der Künste mit dem Fachbereich Gestaltung eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für Fotografie in Deutschland und darüber hinaus.“ In seiner Sicht eine optimale Ausgangssituation.

Grütter blickt aber auch über Essen und das Ruhrgebiet hinaus. Zollverein solle ebenso im internationalen Maßstab als UNESCO-Welterbe Weltstandort sein, meint er. Internationale Veranstaltungen wie die Ruhrtriennale, das Klavierfestival Ruhr und die lit.RUHR finden heute schon an dem Standort statt. Als internationaler Eventstandort etabliert sich Zollverein bereits in diesem Jahr mit dem NRW-Tag sowie der nachfolgenden Ruhr-Konferenz. Mit diesen Veranstaltungen schafft Zollverein eine Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft. Hier haben die beiden neuen Vorstande Hans-Peter Noll und Heinrich Theodor Grütter die größten Überschneidungen in ihrer täglichen Arbeit.

Text: Guido Schweiss-Gerwin

Zur Person / Prof. Dr. Hans-Peter Noll
Prof. Dr. Hans-Peter Noll, geboren 1959 in Datteln, ist gelernter Geograph und war seit 1998 bis September 2017 im RAG-Konzern beschäftigt, zuletzt als Vorsitzender der Geschäftsführung bei der RAG Montan Immobilien GmbH. Seit 1. Oktober 2017 ist er Mitglied des Vorstands der Stiftung Zollverein, seit Anfang Juni 2018 Vorstandsvorsitzender. Darüber hinaus ist Noll Honorarprofessor am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum mit Schwerpunkt Strukturwandel.

Zur Person / Prof. Heinrich Theodor Grütter
Prof. Heinrich Theodor Grütter, geboren 1957 in Gelsenkirchen, hat an der Ruhr-Universität Bochum Geschichte und Germanistik studiert. Seit 1992 leitete er im Essener Ruhrlandmuseum das Ausstellungswesen und die Öffentlichkeitsarbeit, ab 2003 den Aufbau des Ruhr Museums. Seit 2012 ist er Direktor des Ruhr Museums. Seit 1. Oktober 2017 ist er Mitglied des Vorstands der Stiftung Zollverein. Seit 2013 ist Grütter zudem Honorarprofessor an der Universität Duisburg-Essen im Fachbereich Geschichte.