Herr Kufen, im März 2018, also vor rund einem Jahr, startete Essen mit der neuen Standort-Kampagne „Essen begeistert“. Ziehen Sie bitte ein erstes Fazit.
Thomas Kufen: Die Kampagne ist sehr gut angelaufen, vor allem, wenn man bedenkt, dass hier keine große Agentur mit einem sechsstelligen Betrag für einen Markenfindungsprozess ausgestattet wurde, sondern die Essen Marketing GmbH (EMG) und die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (EWG) den Kampagnenstart aus eigenen Kräften gestemmt haben. Ich bin sehr oft angesprochen worden auf die Motive am Düsseldorfer Flughafen oder habe Rückmeldungen bekommen, dass die Kampagnenmotive in München, Hamburg oder Berlin gesichtet wurden. Das begeistert mich.
Früher stand Essen für Kohle und Stahl. Eine erste Analyse vor der Kampagne hat ergeben, dass Menschen unter 40 Jahren bundesweit die Stadt Essen mit so gut wie nichts verbinden. Für was steht Essen?
Thomas Kufen: Essen hat viele Attribute, mit denen wir punkten können. Wir tun uns selbst nur oft sehr schwer mit dem, was wir ins Schaufenster stellen. Wir sind Messe- und Universitätsstadt, wir sind der Gesundheitsstandort Nummer 1 in der Region, wir sind Hauptsitz von drei DAX- und vier MDAX-Unternehmen, wir haben eine breite Kunst- und Kulturszene, sind europäische Kulturhauptstadt RUHR.2010, Grüne Hauptstadt Europas – Essen 2017, wir sind Sportstadt, haben eine wachsende Start-up-Szene und ein UNESCO-Welterbe. Die Liste könnte endlos weitergeführt werden. Für all das steht Essen, das müssen wir einfach öfter erzählen und diese Bilder unserer Stadt zeigen.
Das neue Logo mit der Aufforderung „visit essen“ wird von einem stilisierten Doppelbock getragen. Schafft das ein neues Bild von Essen?
Thomas Kufen: Wir haben ein kulturelles Erbe, auf das wir sehr stolz sein können. Dieses Erbe ist gleichzeitig Teil der Identität der Menschen, die hier leben. Um die Mentalität im Ruhrgebiet und speziell in Essen zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, welche Geschichte diese Region hat. Der Doppelbock steht in Essen aber auch für unsere Zukunft. Haniel hat einst die Zeche Zollverein gegründet, die vielen Menschen Arbeit und Wohlstand gegeben hat. Heute ist Haniel wieder Teil des Welterbes. Mit Schacht One sitzt hier ein Pionier für digitale Innovationen.
Welche Rolle spielt das Welterbe Zollverein bei der Standortwerbung?
Thomas Kufen: Das erste Motiv der Kampagne hat das Museum Folkwang in unserer Innenstadt gezeigt, das zweite unseren Baldeneysee im Süden. Das dritte Motiv wird Zollverein im Essener Norden zeigen. Darauf wird der Spannungsbogen deutlich, den das Gelände hat: eine raue Schale dank harter Arbeit, andererseits einen weichen Kern durch die Themen Design, Kunst und Kultur. Mit anderen Worten, Zollverein spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der Standortwerbung. Das war beispielsweise auch der Grund, weshalb der NRW-Tag im letzten Jahr auch auf dem Gelände der Zeche Zollverein stattgefunden hat.
Um neue Zielgruppen aufmerksam zu machen, werden verstärkt soziale Medien genutzt. Passen Doppelbock und Social Media denn zusammen?
Thomas Kufen: Das passt sogar sehr gut zusammen. Viele junge Unternehmen haben sich auf dem Gelände angesiedelt, die Folkwang Universität der Künste hat hier ihr neues Zuhause gefunden. Insgesamt also eine eher junge Zielgruppe, die wiederum eine junge Zielgruppe anzieht. Hier sind die sozialen Medien doch gerade besonders geeignete Kanäle. Das Netz ist voll von Bildern, die den Doppelbock zu jeder Jahres-, Tages- und Nachtzeit zeigen, der Blick vom Erich-Brost-Pavillon auf die Skyline des Ruhrgebiets ist einmalig und im Winter trägt die Eisbahn auf Zollverein zu einer ganz besonderen Atmosphäre bei. Also auch an Motiven mangelt es nicht.
Ein wichtiges Instrument der Kampagne ist Storytelling, insbesondere mit Blick auf Start-ups. Mit welcher Story sprechen Sie in Essen gezielt junge Gründer an?
Thomas Kufen: Es gibt sehr gute Netzwerke in Essen, angefangen mit dem ruhr:HUB oder dem Camp.Essen. Die EWG ist auch mit der neu gegründeten Start-up Unit ein hervorragender Ansprechpartner für Gründer. Derzeit sind rund 50 Gründerunternehmen mit mehr als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv. Wir erzählen die Geschichte von erfolgreichen Gründerinnen und Gründern, die sich hier angesiedelt haben. Gleichzeitig bieten wir Netzwerkveranstaltungen und Austauschplattformen an. Ein wichtiger Vorteil von Essen sind die hier ansässigen Unternehmen, da haben wir Berlin so einiges voraus. Und die Mieten in Essen sind mittlerweile günstiger als in Berlin.
Zollverein ist ein wichtiger Gründerstandort. Die Stadt Essen ist am ZukunftsZentrumZollverein, kurz Triple Z, beteiligt. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem Einstieg der RAG-Stiftung beim Triple Z?
Thomas Kufen: Die Beteiligung begrüße ich sehr. Die RAG-Stiftung und das Triple Z passen sehr gut zusammen. Das Triple Z ist seit mehr als 20 Jahren ein branchenübergreifender Standort für Start-ups und kleinere wie mittelständische Unternehmen. Aktuell sind rund 100 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen am Standort aktiv. Die RAG-Stiftung engagiert sich seit jeher für die zukunftsfähige Entwicklung der ehemaligen Zechenstandorte. Insofern hat sie auch in der Vergangenheit wichtige Investitionen in die Entwicklung des Zollverein-Geländes getätigt, die neue Beteiligung setzt diese Strategie fort.
Das Gespräch führte Guido Schweiß-Gerwin