Drei Dimensionen hat Nachhaltigkeit nach offizieller Definition. „Eine ökonomische, eine ökologische und eine soziale“, zählt Anna Ehlert, Referentin für Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement auf. „Auf Zollverein erweitern wir das Konzept vor dem Hintergrund des Welterbestatus noch um eine kulturelle Dimension.“ In einem Nachhaltigkeitskonzept werden derzeit Ausgangslage und Ziele definiert, um die Grundsätze in allen Abteilungen und Prozessen zu verankern und voranzutreiben.
Saubere Energie Marke Zollverein
Zum Beispiel durch eine Machbarkeitsstudie, in der untersucht wird, wie das Welterbe bis 2030 klimaneutral werden kann. „Ein ambitioniertes Ziel, wenn man bedenkt, dass es um ein Areal mit zahlreichen nicht gedämmten Bestandsgebäuden geht“, erklärt Anna Ehlert. „Aber der Standort birgt aufgrund seiner Vergangenheit auch Chancen. Geothermie durch Grubenwärme etwa.“ Womöglich könnten sogar umliegende Quartiere mit sauberer Energie Marke Zollverein versorgt werden. Vorbildlich ist heute schon die Artenvielfalt der Flora und Fauna auf dem Welterbe. „Wir haben eine erstaunliche Industrienatur vorzuweisen“, berichtet Anna Ehlert. Wo einst Schornsteine rauchten, nisten jetzt Vogelarten, wo Kohle über das Gelände transportiert wurde, wachsen zahlreiche Pflanzen – eindrucksvoll nachvollziehbar bei Naturführungen zu wechselnden Themen.
Zollverein für alle
Zur Nachhaltigkeit gehören auch Projekte der Partizipation, der Bildungsarbeit, der Chancengleichheit. Und die Quartiersarbeit. „Zollverein ist für die Menschen der umliegenden Stadtteile fast wie ein zweites Wohnzimmer“, sagt Silke Ladnar-Duckwitz, Referentin für Produktentwicklung und Innovation. „Sie nutzen Eisbahn und Werksschwimmbad, joggen auf der Ringpromenade, gehen aufs Zechenfest oder finden beim Parkourtraining spielerisch den Zugang zum Welterbe.“ Das interkulturelle Erzählcafé, der türkische Kochkurs, die Kunstkaue und mehrsprachige Führungen fördern zudem kulturelle Vielfalt an einem Ort, der nicht zuletzt aufgrund des Bergbaus immer schon international aufgestellt war.
„Zollverein ist ein Ort für alle“, betont Silke Ladnar-Duckwitz. Inklusion ist ein großes Thema auf dem Welterbe. Aktuell wird am Aktionsplan Inklusion 2030 gearbeitet. Maßnahmen in Sachen Barrierefreiheit gibt es hier zwar schon lange. Nun treibt die Stiftung das Thema aber allumfassend und, wo möglich, über die gesetzlichen Vorgaben hinaus voran. Beispielsweise wird ein Teil des Denkmalpfades barrierefrei zugänglich gemacht und in der vergangenen Eisbahn-Saison wurde eigens eine Rampe gebaut, damit Personen im Rollstuhl zusammen mit Familie, Freundinnen und Freunden auf das Eis konnten.
„Für einen Industriestandort, der für gesunde und starke Menschen geschaffen wurde, ist Barrierefreiheit eine echte Herausforderung“, weiß Silke Ladnar-Duckwitz. „Wenn wir sie aber in allen Projekten mitdenken, sind wir auf dem richtigen Weg. Zudem holen wir uns als Beraterinnen und Berater Personen mit Behinderungen ins Boot.“ Wie Ralf Bockstedte. Der Vorsitzende des Inklusionsbeirates der Stadt Essen sitzt selbst im Rollstuhl und gibt der Stiftung viele wichtige Impulse.
Impulse für gesellschaftlichen Wandel
Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen auf dem Welterbe zu verankern, ist mehr als komplex. Auf dem weitläufigen Zollverein-Areal findet sich eine Vielzahl an Bestandsgebäuden mit unterschiedlichsten Voraussetzungen. Die eine universelle Lösung für Herausforderungen wie Klimaschutz und Barrierefreiheit gibt es nicht. „Deshalb probieren wir viel aus“, sagt Anna Ehlert. Und so werden die hier entwickelten Konzepte und Maßnahmen zur Blaupause, nicht nur für andere industriekulturelle Standorte. Ausgerechnet die einst größte Zeche der Welt ist heute Reallabor für Nachhaltigkeit und treibt damit den gesellschaftlichen Wandel voran.