Für die Besucherinnen und Besucher auf Zollverein werden die Rückbauarbeiten neben den Umleitungen rund um Schacht XII auch lehrreich sein. So informiert das Welterbe über die einzelnen Baustellenabschnitte: Schaubilder erklären die einzelnen Schritte der Schachtverfüllung, während die Arbeiten der RAG-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter auch weiterhin in den täglichen Führungen thematisiert werden. Zeitnah werden die denkmalgeschützten Maschinen und Bauelemente wieder an ihrem angestammten Platz stehen und Zollverein wird über Tage wieder so aussehen wie zuvor. Christof Beike, Pressesprecher der RAG Montan Immobilien: „Zollverein ist Welterbe, die Anlage steht unter Denkmalschutz und wir sehen es als unsere Verpflichtung an, dass wir das Erbe so hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben.“
Gästeführer Franz-Josef Vienken steht am ikonischen Doppelbock, schaut auf den großen Kran neben dem alten Backsteinbau und seufzt: „Hier endet ein Stück Bergbaugeschichte.“ Vienken war Maschinist und Zollvereiner und ist an diesem Tag für eine Gruppenführung auf dem Welterbe. Er erinnert sich noch ganz genau an seine Anfahrten auf dem heutigen Welterbe. „Mit einem Krachen ging es los. Dann rauschte der Förderkorb mit knapp über zehn Metern pro Sekunde in die Tiefe – schneller als jeder Fahrstuhl.“ Solche Fahrten sind auf Zollverein nicht mehr möglich.
Tief blicken kann man auf Zollverein noch in der Untertagewelt – einem eindrucksvollen Angebot auf dem Welterbe. Im ehemaligen Bergebunker unweit des bekannten Doppelbocks erleben Gäste in insgesamt sechs inszenierten Räumen die schwere Arbeit der Bergleute im sogenannten Grubenbetrieb – mit Medienstationen, Filmmaterial sowie originalen Objekten und Geräuschen.
Seit knapp 40 Jahren wird auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein keine Steinkohle mehr gefördert, doch die Arbeiten unter Tage haben auch in den vergangenen Jahrzehnten nie aufgehört: Gigantische Pumpen an Schacht XII und Schacht 2 liefen bis zur Schachtverfüllung 2025 die gesamte Zeit auf Hochtouren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RAG haben sich seit der Schließung der Ruhrgebiets-Zechen um die Folgen gekümmert, die der Bergbau in der Region angerichtet hat. Sie haben früher selbst Kohle aus der Erde gefördert – und das in 1.000 Metern Tiefe. Rund 30 Arbeiter waren während der Schachtverfüllung auf der Baustelle aktiv. Dort haben sie Pumpen bedient, damit die Schächte nicht mit Wasser volllaufen. „Früher haben wir Grubenwasser gepumpt, damit der Bergmann unter Tage vernünftig arbeiten konnte. Heute pumpen wir das Wasser, weil wir nicht wollen, dass es mit Grund- und Trinkwasser in Berührung kommt“, erklärt Christof Beike.
Hunderte Meter Rohrleitung
Der Grund für das neue Grubenwasserkonzept der RAG fließt ein paar Kilometer nördlich von Zollverein: die Emscher. Früher wurde die „Köttelbecke“ als oberirdische Abwasserleitung genutzt, nun wurde der Fluss aufwendig renaturiert. Deshalb soll kein Grubenwasser mehr in den Fluss fließen. Der neue Weg des Wassers führt planmäßig unterirdisch in Richtung Rhein und wird erst kurz vor Schluss nach oben gepumpt. Das Grubenwasser ist belastet. Es nimmt alles mit, was tief unten in der Erde ist. Das sind vor allem Salze. Aber auch Chemikalien, wie beispielsweise PCB. Christof Beike: „Dieser Stoff wurde den Hydraulikflüssigkeiten beigemischt, weil es schwer entflammbar war. Feuer unter Tage galt es unter allen Umständen zu vermeiden. Erst Ende der 1980er-Jahre endete diese Praxis. Denn PCB ist äußerst giftig.“ Heute erwarten Behörden und RAG, dass dieser Stoff weiterhin zum allergrößten Teil unter Tage bleibt, denn er ist nicht wasserlöslich und haftet hauptsächlich an Stoffen, die schwerer als Wasser sind. Damit schnell reagiert werden kann, falls das Grubenwasser doch nicht – wie erwartet – unter Tage in Richtung Rhein fließt, werden die Schächte auf Zollverein nicht einfach nur zugeschüttet. Die kilometerlangen Rohre dienen dem Grubenwasser als Notausgang. „Wir installieren Rohre, durch die wir später riesige Tauchpumpen nach unten lassen können, die dann auf einer bestimmten Höhe das Grubenwasser abpumpen. Von hier gelangt das Grubenwasser dann in übertägigen Leitungen nach Prosper-Haniel in Bottrop, wo es wieder in die Tiefe abläuft“, sagt Christof Beike.
Ewigkeitsaufgaben
Rund 60.000 Schächte, Gruben und Stollen gibt es im Ruhrgebiet. Schon während der aktiven Abbauzeit der Steinkohle musste Regenwasser aus der Tiefe hinaufgepumpt werden. Ansonsten wären die Schächte vollgelaufen. Das hätte die Arbeiten unter Tage unmöglich gemacht. Auch über Tage laufen Hunderte von Pumpen. Stellenweise ist das Ruhrgebiet bis zu 25 Meter abgesackt. Ohne Pumpen würde es einer Seelandschaft gleichen. Alle diese Pumpen werden auf Dauer laufen müssen. Daher spricht man von Ewigkeitsaufgaben.