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lit.Ruhr 2024

Internationales Literaturfest auf Zollverein

Erlesenes Literaturprogramm

Im Oktober wird das Welterbe wieder zum Mittelpunkt der lit.RUHR. Das Festival bietet höchsten Literaturgenuss — mit einem ebenso dichten wie vielfältigen Veranstaltungsprogramm. Vom 9. bis 13. Oktober ist es so weit: Das internationale Festival lit.RUHR lädt zu fünf Tagen Literaturgenuss ein, mit jeweils rund 35 Veranstaltungen im Erwachsenen­ und Kinderpro­gramm. Wie in den vergangenen Jahren wird dafür das UNESCO­-Welterbe Zollverein zum bewährten Festival­ Zentrum. „Hier fühlen wir uns zu Hause“, sagt Programm­leiter Tobias Bock. Das Team richtet hier das lit.RUHR­-Produktionsbüro ein, von dem aus koordiniert und gewaltet wird. Ein Großteil der Veranstaltungen findet auf dem Welterbe statt. Aber auch Oberhausen, Gelsenkirchen und Bochum sowie weitere Orte in Essen sind Spielstätten.

In der Lichtburg etwa, einem der legendären Essener Filmkunsttheater (siehe auch: Ausstellung „Glückauf –Film ab!“ auf Seite 14), wird am 9. Oktober die lit.RUHR offiziell eröffnet. Herbert Grönemeyer und Michael Lentz stellen dann im Gespräch die frisch erscheinende Bio­grafie „Grönemeyer“ vor, die erste umfassende Gesamt­darstellung zu Leben und Werk. Außerdem stehen am Eröffnungsabend noch zwei weitere Programmpunkte an: Anspruchsvoll wird es im Schauspielhaus Bochum, wo Eva Illouz mit ihrem neuen Buch „Explosive Moder­ne“ zu Gast ist und über die großen Emotionen wie Angst, Enttäuschung und Wut spricht, die unsere Ge­sellschaft prägen. Auf Zollverein dürfen währenddes­sen in Halle 12 die Lachmuskeln arbeiten. Unter dem vielsagenden Titel „Denn sie wissen (noch) nicht, was sie tun“ präsentieren Hubertus Meyer­-Burckhardt und Bernhard Hoëcker ihr Improvisations­-Programm.

Tolle neue Romane
Dass auch in den kommenden Tagen viele der Ver­anstaltungen parallel laufen, ist Teil des lit.RUHR­Kon­zepts. „Man kann nicht alles sehen“, erklärt Tobias Bock. „Das ist bewusst so. Die Entscheidung soll schwer­ fallen.“ Das Programm gliedert sich in insgesamt drei Säulen. „Die erste Säule umfasst tolle neue Romane, orientiert am Herbstprogramm der Verlage“, sagt Tobias Bock. „In diesem Jahr sind darunter auffallend viele deutsche Autorinnen.“ So stellt Mithu Sanyal ihren neuen Roman „Antichristie“ vor (12. Oktober, Kammer­spiele Schauspielhaus Bochum), Caroline Wahl ist mit „Windstärke 17“ auf dem Welterbe zu Gast (13. Okto­ber, Halle 5) und Lucy Fricke präsentiert im Gespräch mit Daniel Schreiber ihr Buch „Das Fest“ (13. Oktober, Salzlager). Außerdem liest Behzad Karim Khani aus „Als wir Schwäne waren“, einem biografischen Roman über das Leben eines aus dem Iran geflüchteten Jungen im Ruhrgebiet (12. Oktober, Halle 6).

Spannende Sachbücher
Eine zweite Programmsäule bilden Sachbücher. „Da wird weniger gelesen und mehr diskutiert“, erklärt Tobias Bock. „Wir wollen damit bewusst zu aktuellen Diskursen beitragen.“ Ganz dicht am Puls der Zeit ist zum Beispiel die Psychologin Marina Weisband mit ihrem Buch „Die neue Schule der Demokratie. Wilder denken, wirksam handeln“, mit dem sie eine Lanze bricht für frühe Demo­kratieförderung (10. Oktober, Halle 6). Um große zeit­lose Themen geht es mit den essayistischen Büchern „Altern“ von Elke Heidenreich (10. Oktober, Halle 12), „Schlafen“ von Theresia Enzensberger (im Gespräch mit Şeyda Kurt, 10. Oktober, Kaue Gelsenkirchen) und „Lieben“ von Emilia Roig (11. Oktober, Halle 12). Die Ideengeschichte der Nachkriegszeit, klug und ver­ständlich erzählt, bringt Philosoph Wolfram Eilenberger dem Publikum mit seinem Buch „Geister der Gegenwart“ näher (11. Oktober, Salzlager). Zudem berichtet Ex­-Tennis­-Weltstar Andrea Petkovi´c mit „Zeit, sich aus dem Staub zu machen“ über das Ende ihrer Sportkarriere (12. Ok­tober, Halle 5). Die Themen sind also weit gestreut.

Große Sprecherinnen und Sprecher
Eine dritte und letzte Säule schließlich umfasst die großen Themenabende der lit.RUHR „Wir durchforsten dafür die Literaturgeschichte unter jeweils einem bestimmten Aspekt. Ausgewählte kurze Ausschnitte werden kompiliert und dem Publikum dann von großen Sprecherinnen und Sprechern vorgetragen.“ So gibt es zum nunmehr dritten Mal in Kooperation mit der RAG­-Stiftung einen Ruhrgebietsabend: Unter dem Titel „Schächte, die verbinden“ werden an diesem von Thomas Böhm konzipierten und moderierten Abend auch internationale Bezüge hergestellt (10. Oktober, Halle 12). Vortragende sind Esther Schweins und Dietmar Bär. Sehr vergnüglich wird es zugehen, wenn Nina Kunzendorf und Matthias Matschke Dichterinnen und Dichtern im Homeoffice eine Stimme verleihen und Jakob Hein durch den Abend führt. Schon das titelgebende Zitat von Thomas Mann – „Habe wieder begonnen, morgens nackt ein wenig zu turnen“ – spricht für sich (12. Oktober, Halle 12).

Nicht zuletzt werden auch die Metropolenschreiber der Brost­-Stiftung zu Wort kommen. Das Stipendium lädt Autorinnen und Autoren ein, jeweils für sechs bis zwölf Monate ihre Residenz in Mülheim an der Ruhr zu beziehen und von hier aus die Region zu erkunden. Im Rahmen der lit.RUHR treffen dieses Mal drei ehemalige Metropolenschreibende (Ingo Schulze, Nora Bossong, Eva von Redecker) und der aktuelle Stipendiat Daniel Schreiber zusammen, um über ihre Erfahrungen im Ruhrgebiet zu sprechen (13. Oktober, Salzlager). Besonders humorvoll wird es mit Cordula Stratmann und ihrem neuen Buch „Wo war ich stehen geblieben?“ (11. Oktober, Halle 5) sowie Hape Kerkeling, der am 13. Oktober zum Abschluss der lit.RUHR seine Autobio­grafie „Gebt mir etwas Zeit“ in der Lichtburg vorstellt.

lit.kid.RUHR: auf Augenhöhe
Doch das ist noch längst nicht alles. Denn wenn am 9. Oktober abends die lit.RUHR offiziell eröffnet wird, sind im Vormittagsprogramm bereits Schulklassen auf ihre Kosten gekommen. „Mit insgesamt 36 Veranstaltungen bildet die lit.kid.RUHR eine eigene, gleichwertige Sparte des Festivals“, sagt Programmleiterin Angela Furtkamp. Die Veranstaltungen laden Kinder und Jugendliche aller Altersklassen und unterschiedlicher Bildungsniveaus ein, auf Reisen in andere Wirklich­keiten zu gehen. „Den Schwerpunkt bildet das Format lit.kid.RUHR­-KlasseBuch“, erklärt Angela Furtkamp. „Vorschulgruppen und Schulklassen von der ersten Klasse bis zur Ober­stufe können kostenfrei an Lesungen, Gesprächen und verschiedenen Interaktionen teilhaben.“ Das Spektrum ist groß: Mal wird es lustig, abenteuerlich und unter­haltsam, mal geht es um ernste Themen wie Antisemi­tismus oder Alltagsrassismus. „Dabei ist uns wichtig, nicht zu pädagogisch daherzukommen, sondern die Kinder und Jugendlichen über die literarische Ebene abzuholen und mit ihnen auf Augenhöhe in den Diskurs zu treten.“ Und natürlich darf der Bezug zum Ruhr­gebiet und der Kohle nicht fehlen. In diesem Jahr wird Dietmar Bär Schulklassen nicht nur Sagen aus „Als die Kohle noch verzaubert war” vorlesen, sondern dabei sicherlich auch die ein oder andere Geschichte aus seiner Kindheit im Ruhrpott erzählen.

Für die ganze Familie
Viel Abwechslung bietet das Familienprogramm der lit.kid.RUHR. „Ein programmatisches Highlight ist sicher der Besuch von Margit Auer“, berichtet Angela Furtkamp. „Die Autorin der Buchreihe ‚Die Schule der magischen Tiere‘ liest am 9. Oktober in der Lichtburg und gibt spannende Einblicke in Schreibprozess und Ideen­findung.“ Mai Thi Nguyen­Kim und Marie Meimberg erklären mit „BiBiBiber hat da mal ’ne Frage: Welche Farben hat der Regenbogen?“ naturwissenschaftliche Phänomene kindgerecht (12. Oktober, Halle 12). Frank Goosen zeigt gemeinsam mit Kyra Malinowski, der Trainerin der Frauen­Mannschaft vom VfL­Bochum, wie Fußball Menschen quer durch Schichten, Herkünfte und Altersgruppen vereint (10. Oktober, Halle 5). Und auch Klassiker der Kinderliteratur finden ihren Weg aufs Welterbe: Benno Fürmann liest aus Erich Kästners „Emil und die Detektive“ (12. Oktober, Halle 5) und Rufus Beck aus „Der kleine Nick“ von René Goscinny, musika­lisch begleitet von Maria Reiter (13. Oktober, Halle 12). Wer mag, ist natürlich eingeladen, vor oder nach den Veranstaltungen Zollverein zu erkunden. „Wir haben bewusst die Startzeiten einiger Veranstaltungen nach vorn gezogen“, erklärt Tobias Bock. So kann man vom Spaziergang übers Welterbe gleich zum Literaturgenuss übergehen. Jetzt heißt es deshalb: hoffen auf gutes Wetter. Am liebsten einen goldenen Oktober. Genau wie im letzten Jahr.

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