Essen sei seit mehr als 100 Jahren ein wichtiger Standort der Fotografie in Deutschland und verfüge mit dem Historischen Archiv Krupp, dem Museum Folkwang, der Stiftung Ruhr Museum und der Folkwang Universität der Künste über eine hervorragende Vernetzung im Bereich der Fotografie, heißt es aus dem Kulturministerium. „Die Fotografie ist das Abbildungsmedium des Industriezeitalters. Sie beginnt 1839 mit der ersten Daguerreotypie. Nur wenige Jahre zuvor war es Franz Haniel in Essen gelungen, einen Schacht durch die Mergeldecke zu treiben und ein darunter liegendes Kohleflöz zu erschließen“, erklärt Prof. Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums und Vorstand der Stiftung Zollverein.
„Und mit dem Ende des Industriezeitalters endet auch die klassische analoge Fotografie, denn was wir heute haben, sind digitale Bildwelten und keine technischen Abbildungen der Wirklichkeit“, sagt Grütter. Er sieht das nationale Fotoinstitut als die konsequente Fortsetzung und Krönung der seit einem halben Jahrhundert währenden Beschäftigung mit diesem Abbildungsmedium des Industriezeitalters in Essen. „Deshalb gibt es auch keinen passenderen Ort als das industrielle Welterbe Zollverein als Standort für ein nationales Fotoinstitut“, betont der Historiker.
Geballte Fotokompetenz
Werks- und Gebrauchsfotografie, Pressebilder, private Aufnahmen und künstlerische Fotografien sind in den Sammlungen des Ruhrgebiets in großer Anzahl vorhanden. Schon in den 1990er-Jahren beschäftigte sich Ute Eskildsen, bis 2012 Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang, mit der Idee zum Aufbau eines nationalen Fotoinstituts. Vier bedeutende Institutionen haben sich bereits 2014 zum Zentrum für Fotografie Essen zusammengeschlossen, wie Prof. Heinrich Theodor Grütter erläutert: „Dazu gehören das Museum Folkwang mit der wichtigsten Fotosammlung in Europa, das Ruhr Museum, das mit vier Millionen Bildern über das größte Archiv zur Industriefotografie verfügt, das Historische Archiv Krupp mit seinen zwei Millionen Industriebildern und die Folkwang Universität der Künste, mit fünf Professuren im Bereich Fotografie die größte Universität in diesem Bereich. Da mit dem Ruhr Museum und dem Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität bereits zwei Institutionen vor Ort vorhanden sind, ist das Welterbe Zollverein einfach der perfekte Standort für das neue Bundesinstitut.“
Zollverein bestens geeignet
Ein Grund für den Standort Essen ist laut Gutachten auch der erforderliche Flächenbedarf für das Institut. „Auf Zollverein haben wir nicht nur Platz, sondern können in unmittelbarer Nachbarschaft der Folkwang Universität der Künste ein Areal zur Verfügung stellen, das symbolisch wie kein zweites für den Wandel in der Region steht und jährlich Gäste aus der ganzen Welt ins Ruhrgebiet lockt“, sagt Prof. Dr. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein.
Als nächsten Schritt empfiehlt das Gutachten die baldige Einsetzung eines Aufbaustabs. Er soll die Entwicklung des Instituts begleiten und weitere konzeptionelle Präzisierungen erarbeiten. „Das ist jetzt noch ein weiter Weg. Bis das Institut eröffnen kann, werden noch Jahre ins Land gehen. In der Machbarkeitsstudie ist von knapp sieben Jahren die Rede, sodass wir nicht von einer Eröffnung vor 2027 ausgehen können“, gibt Prof. Grütter zu bedenken. Deshalb seien in den nächsten Jahren Ausstellungen, Kongresse und weitere Veranstaltungen zur Fotografie in Essen nötig, damit das Projekt weiteren Rückenwind erhält. Entstehen soll ein Institut, das die Werke bedeutender deutscher Fotografinnen und Fotografen sammeln, bewahren und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen soll. Standortunabhängig kalkuliert das Gutachten Realisierungskosten von rund 125 Millionen Euro.
Text: Heike Reinhold