Herr Prof. Grütter, was macht Essen zu einem optimalen Standort für ein nationales Fotozentrum?
Da gibt es zahlreiche Aspekte: Blicken wir in die Geschichte, war sicherlich Otto Steinert als Professor der Folkwang Hochschule der Doyen der Fotografie, der viele bedeutende Fotografen ausgebildet hat und auch die Düsseldorfer Schule mit den Bechers inspiriert hat. Heute hat die Folkwang Hochschule für Gestaltung sechs Fotografie-Professuren – mehr als jede andere Hochschule in Deutschland. Die Fotosammlung des Museum Folkwang gilt als die bedeutendste Europas, das Ruhr Museum hat vier Millionen Dokumentarfotos in der Sammlung. Die historische Sammlung Krupp bietet zudem zwei Millionen Industriefotografien. Eine solche Ansammlung von fotografischen Institutionen ist in Deutschland einmalig.
Warum sollte das sogenannte Bundesinstitut für Fotografie nach Zollverein kommen?
Das UNESCO-Welterbe Zollverein ist in dieser Form der kongeniale Ort. Fotografie- und Industriegeschichte haben eine gemeinsame Historie, Fotografie ist das Abbildungsmedium des Industriezeitalters – sie sind zusammen entstanden und losen sich als analoge Form im Digitalzeitalter auf, so schließt sich der Kreis. Es passt also räumlich wie inhaltlich. Zudem wäre das Bundesinstitut für Fotografie in unmittelbarer Nachbarschaft zur Folkwang Hochschule und zum Ruhr Museum. Nirgendwo haben in der jüngsten Gegenwart so viele Fotoausstellungen stattgefunden – Renger-Patzsch, Chargesheimer, Hauser, Stoffels oder Grisar.
Wie muss man sich die neue Institution vorstellen?
Ich denke, das Institut wird drei Kernaufgaben haben: Depot, Forschungslabor und Restaurationseinrichtung. Staatsministerin Monika Grütters hat dazu eine nationale Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die gerade erstellt wird. Anfang 2021 wissen wir mehr.
Das Gespräch führte Guido Schweiss-Gerwin.